Donnerstag, 18. September 2014

Start der Nordostpassage 2014

Teil 1 - von Nome nach Kap Vankarem - Auf legendärem Seeweg zwischen Russisch-Fernost und Europa
Fotoquelle CD NOP - Fotograf Page Chichester
Unterwegs auf den Spuren Berühmter Entdecker - 135 Jahre nach der ersten gelungenen Nord Ost Passage (kurz NOP) wagen wir uns mit der MS Hanseatic als erstes nicht russisches Kreuzfahrtschiff auf die Nord Ost Passage. Kommen Sie mit auf diese spektakuläre Reise zu Landschaften und einstigen Sperrgebieten, die außer Forschern und Entdeckern kaum jemand zu Gesicht bekommen hat. Wieder werden wir von Experten begleitet, die meisten sind uns von anderen Reisen bekannt: David Fletcher, als Expeditionsleiter Dr. Hajo Spitzenberger, Sylvia Stevens, Geophysiker Steffen Graupner, Biologin Brigitte Fugger, Geologe Dr. Franz Gingele und Dr. Christine Reinke-Kunze.   
Wie viele der frühen Expeditionen scheiterten im Eis. Die ersten Erkundungen fanden im 16. Jahrhundert statt, wie zum Beispiel von Willem Barents, nach dem die Barentssee benannt wurde. Die erste Gesamtdurchfahrt gelang Adolf Erik Nordenskiöld im Jahre 1878/79 mit einer Überwinterung im Eis. Er fuhr entlang der Nordküste von Sibirien auf dem Auxiliarsegler Vega. Diese Expedition begann am 4. Juli 1878 in Göteborg. Nachdem die Vega unter vielen Gefahren die Nordküste Sibiriens umfahren hatte, fror sie Ende September 1878 unter 67° 30′ nördlicher Breite und 173° 23′ westlicher Länge nordwestlich der Beringstraße ein und konnte erst am 18. Juli 1879 ihre Reise fortsetzen. Erst 53 Jahre später (1932) gelang dem Eisbrecher Alexander Sibirjakow die erste Durchfahrt ohne Überwinterung [Quelle Wikipedia]. 
Blick auf Grönland aus dem Flieger
Mi 13.08. Sonderflug Nome/Alaska/USA und Einschiffung Am 13.08.2014 fliegen wir per Charterflug nach einer Übernachtung in Vancouver nach Nome / Alaska. Nome erscheint im schönsten Sonnenschein und so gehen wir bei unserem 4. Besuch dieser Stadt zum ersten Mal in das schöne Carrie M. McLain Memorial Museum. Nach der Erfrischung im der Kirche und Gemeindehaus mit Sandwiches und der obligatorischen Tomatensuppe, fährt unser Busfahrer schon 20 min. vor der um 14.00 h geplanten Abfahrt los, um uns Moschusochsen zu zeigen. Das hat bisher nie geklappt, umso erfreuter waren wir, daß eine größere Gruppe zu sehen war. Leider war unser Fotoapparat in dem Trolley, den mein Mann Steffen abgegeben hat, wir konnten nur mit dem Handy Fotos machen. Um 15.30 h findet die Seenotrettungsübung statt, geplantes Ablegen 16.00 h Kurs Prowidenija – Entfernung 225 sm. Etwas verspätet kommen wir in Nome los, es wird noch Proviant gebunkert. 16.10 h Durchsage des Kapitäns: Willkommen an Bord, unser Ablegen verzögert sich um etwa 20 min., da wir noch bunkern. Ein Schlepper hilft uns beim Ablegen, da uns der Wind an die Pier drückt. Der morgige Tag entfällt und wir stellen die Uhren um 4 Stunden zurück. 17.00 h Ausgabe der Gummistiefel, ein schöner blau-oranger Parka mit Nord Ost Passagen Aufdruck liegt bereits auf der Kabine sowie ein Hanse- Allzwecktuch und der Rucksack. Gegen 21.30 – 22.00 h erreichen wir King Island, dort waren auf der vorherigen Reise Wale zu sehen. Der Wind kommt aus nördlicher Richtung, Wellenhöhe 2-3 m, gute Großwetterlage. Nach dem Essen gehen wir mit Bekannten in die Observation Lounge. King Island erreichen wir um 23.00 h, das verschlafen wir allerdings. SA 06:45 h, SU 23:25 h.

Impressionen aus Nome
Do 14.08. Überschreiten der Datumsgrenze (und wieder ein Tag, der entfällt)

Gut erkennbar - der Tanz der kleinen Hasen



Fr 15.08. Prowidenija/Tschuktschen Halbinsel/Russland (Pier) 10-17 h
In der Observation Lounge treffe ich die Expertin Sylvia, die mir erzählt wie stimmungsvoll es vor King Island war und von den Walen, die gesichtet worden. 8.15 h Willkommen an Bord, in der Explorer Lounge findet die Vorstellung der Reiseleitung und der Experten statt. 9.00 h Kapitän. Willkommen und Infos für die wenigen neuen Gäste. Ein Tag und entfiel und wir haben die Uhren 4 Stunden zurückgestellt. Position 173°22’W 64°23’N, Russland in der Bucht de Prowidenija. 6,5 Knoten, Kurs NO 30°, seit Nome 235 sm, Restdistanz 5 sm, Tiefe 50 m, Nebelfelder, stark bewölkt, 8°, 7°, 1007 hPa, Windstärke 1 umlaufend. Der Ort ist schon auf Steuerbord zu sehen, um 10.00 h legen wir an. Die Einklarierung ist diesmal vereinfacht, wir müssen unseren Pass nur an der Gangway zeigen. Dann wandern wir mit einer kleinen Gruppe durch die Stadt, die meisten Gäste wandern hinauf zum Leuchtturm. Wir besuchen das Museum, das seit 1985 besteht. Um 15.00 h treffen wir uns zur Folklore im Kulturhaus. Es ist wieder zauberhaft! Russische-, Tschuktsche- und Kosakentänze sowie Kehlkopfgesang werden uns in den traditionellen Kostümen vorgeführt. 

Walross-Schädel mit doppelten Stoßzähnen im Museum
Die Stadt wurde nach der gleichnamigen Bucht mit Namen Prowidenija (Mehr Infos auf Wikipedia engl.) benannt. Prowidenija Bucht aus dem engl. Providence Bay übersetzt Bucht der Vorsehung, Namensgeber war Kapitän Moore 1848, der auch auf der Suche ach den Mitgliedern der verschollenen Franklin-Expedition war. Letzte Spuren der Expeditionsteilnehmer wurden erst viele Jahre später nahe der King-William-Insel entdeckt. Es dauerte bis zum Jahr 2014, bis eines der beiden Schiffe in der Victoria Strait geortet werden konnte. Ein großer Teil der Einwohner der Stadt sind Yupik, Angehörige eines Eskimostammes. Als wir zur Pier zurückwandern, jagt ein scheinbar betrunkener Russe mit seinem Jeep hupend durch die Strasse und verliert fast die Kontrolle seines Wagens.

Heute Abend ist "Welcome Abend", beim Cocktail erzählt uns Kapitän Natke von einer Kursänderung, geplant war ursprünglich Yttygran mit den Resten der Walknochenallee. Morgen geht es stattdessen nach Litke Harbour und nach Lawrentiya, dort werden auch die Einwohner des Ortes Lorino sein. Wie wir alle hat er schon lange auf das Stattfinden der NOP gewartet. Murmansk ziemlich am Ende der Reise wird der erste Pier nach Prowidenija sein. Wir befinden uns auf einer reinen Expeditionsreise, Wind, Wetter, Eislage und die geopolitische Lage bestimmen die Route. Was wird morgen oder in den nächsten drei Tagen sein? Keine Ahnung! Wir haben einen russischen Ice Master an Bord, hier oben gibt es alle Arten von Wetter. Diese ist die längste Reise der Hanseatic mit geplant 4800 sm, 129 Crew mit 10 Nationen und 148 Passagiere aus 6. 80-90% Wiederholer = Repeater. Unser Pioniergeist ist gefragt! Sa 03:20 h, SU 19:52 h.

Litke Harbour Impressionen

Sa 16.08. Litke Harbour 9-12 h (Anker), Lawrentiya 13-18 h (Anker)
Ich bin noch platt von gestern und streike. 9.00 h Durchsage von Matthias Meyer unseres Kreuzfahrtdirektors: Es ist bedeckt, aber trocken, 10°, das Scoutboot ist bereits draußen. Steffen fotografiert mir die frischen Bärenspuren eines Muttertieres mit einem Jungen und die "Beerenauslese" – die frische Losung, Moose und Pflanzen, verfallene Hütten, Rost ohne Ende, den Blick vom Hügel, sowie Wal – und Walrossknochen. Über den Ort fand ich nichts, aber ich habe etwas recherchiert und fand Fyodor Litke (wikidia.org engl.). Es steht dort, daß ein Kap, eine Halbinsel, ein Berg und eine Bucht in Nowaja Semlja, sowie eine Inselgruppe im Franz-Josef-Land, Baydaratskaya Bay, und der Nordenskiöld-Archipel und eine Meerenge zwischen Kamtschatka und Karaginsky Island, sowie zwei russische Eisbrecher nach ihm benannt wurden. Fjodor Petrowitsch Graf Lütke (russisch Фёдор Петрович Граф Литке, Fëdor Petrovič Graf Litke), eigentlich Friedrich Benjamin von Lütke (*1797-1882) war ein russischer Marineoffizier, Weltumsegler, Entdeckungsreisender und Schriftsteller. Von 1821 bis 1824 leitete er eine Expedition in die russischen Küstengewässer in der Arktis mit dem Auftrag, Kamtschatka zu erforschen, und unternahm auch in den drei folgenden Jahren Forschungsreisen in die arktischen Gegenden, die namentlich Aufschluss über die Küsten Nowaja Semljas brachten. Seine Beschreibung der Viermaligen Reise ins Nördliche Eismeer wurde später in deutscher Sprache herausgegeben [Quelle Wikipedia]. 

Kinder der Folkloregruppe aus Lorino
Um 11.50 h nehmen wir Kurs auf Lawrentiya / Tschuktschen Halbinsel – Entfernung 4 sm und machen dabei einen Schlenker durch die Bucht. 13.00 h: Wir ankern vor dem Ort, dort ist Volksfest und die meisten Einwohner des Ortes Lorino vom letzten Jahr sind ebenfalls dort. Es gibt Wettstreit im Tauziehen und Kanufahren. Auf einer Bühne geben "Künstler" Gesangs – und Tanzdarbietungen. An einem Stand können wir einheimische Spezialitäten von Wal, Walross, Fisch und Gebäck probieren. 

Die Leckereien in Lawrentiya
Am Strand tanzen die "Lorinoer" für uns. Etwas später kommt auch der Herr mit den zwei verbliebenen Zähnen vom letzten Jahr, ich versuche auf den Knien in eine bessere Position zu robben. Da übersetzt Steffen Graupner, einer unserer Experten, es käme das Lied der Walrösser. Natürlich gibt es Gelächter, ich sage nur, das wäre meine persönliche Showeinlage gewesen.

Keiner kann so schöne Grimassen ziehen, wie diese beiden!
Um 18.00 h nehmen wir Kurs auf Nauka / Kap Dezhnev – Entfernung 48 sm. Um 18.15 h findet ein spontanes Recap für evtl. Fragen statt. Walfangquote für die Gegend– 140 Wale (Grauwale), 5 Grönlandwale. Steffen erklärt, was für Boote man nutzt, meistens Aluminiumboote, aber auch sogenannte Frauenboote aus Häuten der weiblichen Walrösser, da die Bullen von den Revierskämpfen Verletzungen haben. Die Bullen haben deswegen im Halsbereich dickere Haut und eine dicke Fettschicht, um gegen die Stoßzähne der Gegner besser geschützt zu sein. Sie liegen an den Stränden eng beieinander und oft übereinander, dadurch werden Jungtiere oft getötet. Was ich nicht wusste, die werden dann von den anderen gefressen. Walrösser gehören zu den Raubtieren und fressen andere Robben, Fische, Muscheln und auch Seevögel. Steffen gibt uns Einblicke in die Kultur der Tschuktschen, die noch heute von der Jagd und Rentierzucht leben. Er wird darüber in seinen Vorträgen mehr berichten. Am Abend um 21.15 h hält Dr. Christine Reinke-Kunze, die wir von der Columbus 2 kennen, den Vortrag „Der Russische Ferne Osten und die Wrangelinsel – eine Einführung“. SA 03:23 h, SU 19:47 h. 


Walrösser auf einer Eisscholle vom 20.08.2014
So 17.08. Passage Big Diomade ab 6.30 h, Nauka/Kap Dezhnev/Tschuktschen Halbinsel, Beginn der Nordostpassage, Inchoun entfällt
Ich bin früh auf der Brücke, wir treiben langsam auf Big Diomade zu. So viele lagen hier noch nie, allerdings können wir auf die Distanz mit unserem Objektiv nicht viel ausrichten. Man sieht die ganzen Stoßzähne, weil sie entspannt auf dem Rücken liegen. Sie scheinen alle zu schlafen, da scherzt Kapitän: "Can I blow the horn? I want to see them moving". Sylvia schreit auf: "No, they can hurt each other and die". Die Hanse treibt langsam auf den Strand zu, Sylvia schaut vorwurfsvoll auf den ersten Offizier Dolf, der nur sagt: Wir fahren ja schon wieder rückwärts. Die mittlere Gruppe bemerkt uns und flüchtet panisch vom Strand ins Wasser. Als wir durch die Passage zwischen den Diomade Inseln hindurchfahren, möchte Sylvia eine Durchsage machen, unser Expeditionsleiter Hajo legt Einwand ein, die Walrösser könnten uns hören. Unser Kapitän sagt nur trocken: "Die verstehen doch sowieso nicht, was wir sagen". Gelächter auf der Brücke. Wir sind begeistert vom "Wimmeling" der Seevögel, "denglisches" Wort von Sylvia kreiert. Als wir die letzte Gruppe der Walrösser passieren, macht Sylvia ihre Durchsage. Über den beiden Inseln legen sich die Wolken wie Guss über Kuchen. 

Schöne Wolkenformationen über Little Diomade Island
Gegen 9.00 h erreichen wir Nauka beim Kap Dezhnev, dem östlichsten Punkt Eurasiens. Dort machen wir eine Wanderung über die Hütten bis zum Denkmal des Pelztierjägers Semjon Dezhnev‘s. Oben angekommen bläst uns der Wind fast von den Füßen, aber der Himmel strahlt im schönsten Blau und die Sonne scheint. Semjon Dezhnev hat das Kap 1648 als erster umfahren. Am Nachmittag auf dem Weg nach Inchoun müssen ein paar Mal Walen ausweichen. Um 15.00 h erreichen wir Inchoun, man sieht die Fuchsfarmen vom Schiff und allerdings auch die starke Brandung. Da unter diesen Umständen keine Anlandung möglich ist, verlassen wir den Ort in Richtung Kolyuchin – Entfernung 129 sm. Steffen hält den Vortrag: "Der Sommer mit den Rentiernomaden". Um 18.15 h ist Recap/Precap: Thema Walrösser und die Anlandungen für den nächsten Tag. Kolyuchin Island (Wikipedia engl.) mit dem sagenhaften Vogelfelsen, dann die meteorologische Station an Nachmittag, Kap Vankarem (Wikipedia engl.) und die Wrangelinsel.
SA 2:59 h, SU 19:57 h.

Links Dickschnabellumme mit dem weißen Streifen am Schnabel , rechts Trottellumme
Mo 18.08.2014  Tschuktschensee Kolyuchin Insel 7 -12.30 Anker, Kap Vankarem 15.15 – 18.20 h
Der Tag startet mit einer Zodiacrundfahrt um den Vogelfelsen, zu der der Kapitän um 08.00 h aufruft. Dickschnabel - und Trottellummen machen ich die Brutplätze mit Dreizehen - und Eismöwen sowie Hornlunden, einer Papageientaucherart, streitig. Nach dieser Tour fahren wir weiter zu einer verlassenen Wetterstation, in der Nähe gehen wir an Land und können nach einer Wanderung auf den Felsen, von dort aus auf die Vogelkolonie herabsehen. Nach einem Barbecue an Oberdeck nimmt die Hanseatic Kurs auf Kap Vankarem (Wikipedia engl.), das wir am Nachmittag erreichen. Die Tundra ist von Parry-Zieselbauten durchlöchert wie ein Schweizer Käse, wir wollen sie auf dem Rückweg fotografieren. Aber zuerst wandern wir zu der Landzunge, auf der die Walrösser liegen. Man braucht schon ein sehr gutes Objektiv, um halbwegs gute Fotos zu machen. Auf Reifenspuren wandern wir zu den zahlreichen Zieseln und später zum Schiff zurück. Um 18.20 h nehmen wir Kurs auf die Wrangelinsel - Entfernung 208 sm. Wir werden dort um 10.00 h die Ranger aufnehmen. Wetterdaten 6.00 h: 8°, 7°, 1003 hPa, 84%, N5, bewölkt, SA 03:11 h, SU 10:16 h. Bemerkenswert ist die Genauigkeit mit der die Ranger die Ankunft der Walrösser vorhersagen. Zwei Gäste haben bereits die vorherige Reise um die Wrangelinsel gemacht, da waren hier am 14.08. am Kap keine Walrösser. Die Ranger sagten, sie kämen erst am 15.08. zur Insel. Außerdem war am 14.08. soviel Eis, das die Anlandung abgebrochen werden musste.


Parry-Ziesel auf der Lauer

Der nächste Eintrag beginnt dann auf der Wrangelinsel.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag 
© Constanze Hoffmann


4 Kommentare:

  1. Liebe Conny, ein sehr eindrucksvoll und doch sachlich beschrieberner Reisebericht.
    Beim Lesen der Reisebeschreibung und betrachten der wunderschönen Fotos hat man das Gefühl das man ein wenig dabei war.
    Hannelore Abbenhaus

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  2. Danke liebe Hanne, es freut mich, so ein Lob zu bekommen! LG Conny

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  3. Wow, ein sehr schöner Reisebericht ist das wieder von Dir, liebe Conny! Sehr schöne Fotos und sehr interessanter Bericht. Danke dafür! Liebe Grüße von Sabine ;-)

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  4. Danke Sabine, ich arbeite gerade am nächsten Teil :)

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